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Eine Frage des Respekts.

6. August 2008 Von: Björn Kategorie: Allgemein, Miteinander

Eigentlich bin ich ja grad in meiner Klausurphase mit ner Schreibblockkade „gesegnet“, aber heute hat sie sich wie durch Geisterhand gelöst! Wie das passieren konnte? Ganz einfach, ich hab meinem „liebsten“ Verkehrsmittel mal wieder gefröhnt und bin mit der S-Bahn durchs Ruhrgebiet gerollt. So weit ja nichts neues und wie schön ich mich über die Deutsche Bahn ärgern kann ist ja auch bekannt. Heute jedoch habe ich eine viel interessantere Zielgruppe zum „drüber aufregen“ gefunden. Rentner mit Behindertenausweis. Klingt böse? Ist es aber nicht!

So bin ich denn, wie erwähnt, heute mit der S2 von Dortmund nach Essen gefahren und widme mich frohen Mutes dem Selbststudium, schließlich bin ich ja mitten in der Klausurphase und eine kleine Wiederholung mit Papier in der Hand wird schon keine Schlagringbesitzer herausfordern. Um dem Lärm anderer (Sub-)Kulturen, verursacht durch diverese MP3-Player gepaart mit minderwertigen Ohrhörern und Mobiltelefone mit Lautsprechern, sowie einem interessanten Sprachmix von viel zu lauten Stimmbändern zu entgehen, hatte ich mich mit meinem eigenen MP3-Player und einem geschlossenen Ohrhörersystem bewaffnet, welches glücklicherweise nicht nur meine Mitreisenden nicht belästigt, sondern mich auch von sämtlichen Umgebungsgeräuschen befreit (was bereits bei den leisensten Lautstärken funktioniert).

Etwas, was mich die ganze Zeit wunderte, nämlich wie so wenig Menschen in einem Zug eine solche Lärmkulisse schaffen können, wird sich noch als wichtig erweisen.  Nicht wegen der Lautstärke, sondern wegen der Zahl der Mitreisenden.

Ich sitze also in der Bahn und stelle irgendwann das Studium aus Gründen der Müdigkeit ein und fange an, die Lichter die eilig vorbeihuschen zu beobachten. Das tue ich von Wanne-Eickel bis Gelsenkirchen. Hier steigen nämlich die Hauptpersonen der heutigen Bahnfahrt ein. Um den Weg dieser erwähnten Protagonisten nachzuvollziehen, empfehle ich, Videoaufnahmen eines Tanzturniers mit einem Foto eines zu 15% gefüllten S-Bahnwagens zu kreuzen und das selbe ca. 10% schneller laufen zu lassen. Nichts böses ahnend habe ich also plötzlich neue „Sitznachbarn“, die scheinbar ziemlich die Aufmerksamkeit und den Humor der wenigen Leute im Zug auf sich zogen, die keine Kopfhörer in den Ohren hatten.

Nach vergeblichen Versuchen des Lippenlesens entschied ich mich von meiner Klangbarriere zu befreien um herauszufinden, was der lustige alte Mann mir gegenüber so zu erzählen hatte. Und siehe da, ich Schelm hatte mich auf einen „Behindertenplatz“ gesetzt, als ich den Zug in Dortmund bestiegen hatte. Wie unaufmerksam von mir, aber leider nicht mehr rückgängig zu machen und so nahmen die Dinge ihren Lauf. Der alte Herr und seine Gattin erhoben nämlich Anspruch auf diese Plätze, die ich ja blockierte. Das sie auf dem Weg zu meinem vorher so gemütlichen „Vierer“ an zahlreichen, um nicht gar zahllos zu sagen, vakanten Plätzen vorbeigetanzt sind, schien ihnen gleichgültig und so konnte ich mir meinen Kommentar zu der Sache auch nicht verkneifen, dass ein Behindertenausweis kein Freibrief sei.

Wenn dies das erste mal gewesen wäre, dass mir so eine Situation selbst passiert ist, oder ich direkter Zeuge gewesen bin, es wäre wohl als kleine Anekdote zwischendurch an mir vorbei gegangen. Da ich aber einst im Zug von Minden nach Essen bereits einen solchen Fall hatte, der sich wirklich in einem komplett leeren Wagen bis zu meinem Plätzchen geschleppt hat (achtung, trotzdem ich dieses Stilmittel mag, hier keine Übertreibung!) um mich darauf aufmerksam zu machen (mittels Wedeln mit seinem Ausweis), dass er Anspruch auf diesen Platz habe, auf dem ich sitze, bin ich ein gebranntes Kind. Und genau in meiner Kindheit bin ich massenhaft Zeuge solcher Übergriffe des Paradoxen geworden, wenn sich Rentner in den Einsatzwagen für Schulkinder gezwängt haben um die Plätze auf den Radhäusern zu beanspruchen (dort klebt ja schließlich das Zeichen), die sie dann unter Zuhilfenahme fremder Muskelkraft auch besetzten.

Abgeklärt,was sowas anging, war da mein inzwischen leider verstorbener Opa, dem ein anderer Rentner mit dem Ausweis vor der Nase fuchtelte um ihn zum Aufstehen zu bewegegen. Mein Opa zückte seinen Ausweis und wedelte die abgestandene Luft schnell zurück mit den Worten „Hab ich auch“.

Was mich nun ernsthaft beschäftigt ist, warum tun solche Menschen so etwas? Langeweile? Hass/Neid auf Gesunde? Mit großer Hochachtung erwähne ich Behindertensportler, die mit Protesen Hochleistungssport betreiben und Menschen wie meinen Opa, der trotz eines hohen Behinderungsgrades anderen Menschen bereitwillig seinen Platz zur Verfügung gestellt hatte.

Ist es für jemanden, der vom Schicksal sowieso getroffen wurde nicht schöner, zu versuchen, sich mit seiner Umwelt zu vertragen? Um zumindest hin und wieder mal ein Lächeln oder freundliches Gespräch zu bekommen? Statt dessen gibt es Leute, die nichts besseres zu tun haben, als durch die Welt zu laufen und Streit zu suchen, indem sie ihre Benachteiligung ausspielen. Meiner Meinung nach eine absolut asoziale Haltung, die mich etwas hat ins Grübeln kommen lassen, ob die Respektlosigkeit mancher Jugendlicher vor dem Alter nicht doch auch im Verhalten einiger weniger alter Menschen begründet ist.

Wie man in den Wald hinein ruft, so schallt es heraus. Und so konnte ich mir im Gehen auch einen weiteren Spruch nicht verkneifen: „Viel Spaß noch beim Leute anmotzen, wenn man lang genug danach sucht findet man zum Glück immer einen dafür!“.