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Die Bürde der Demokratie

10. März 2008 Von: Christian Kategorie: Politik

Deutschland hat ein Fünfparteiensystem. Diese Erkenntnis scheint vielen erst mit der Wahl in Hessen gekommen zu sein. Die Zeiten, in denen Lafontaines Reden als die eines Pausenclowns eingestuft wurden, dürften damit vorbei sein. Doch während Experten vielfältiger Herkunft über die Folgen dieser Entwicklung debattieren arbeitet die SPD bereits fieberhaft an der Wiederherstellung der alten Verhältnisse – und opfert sich dabei selbstlos.

Es hätte auffallen müssen. Spätestens bei der Bundestagswahl im Jahr 2005. Hat denn niemand am nächsten Tag in die Zeitung gesehen und sich die Wahlergebnisse angeschaut? Ich wollte ganz sicher sein und habe recherchiert (Quelle). Und es stimmt. Bereits seit der Wahl im September 2005 sitzen mehr Abgeordnete der Linken im Bundestag als von den Grünen – und die waren zuvor immerhin Regierungspartei. Dies hätte unter Umständen dazu führen können sich intensiver mit der Situation zu beschäftigen, doch CDU/CSU und SPD hatten ihr jeweiliges Klassenziel erreicht und konnten sich getrost Regierungspartei nennen.
Seit der Wahl in Hessen ist jedoch alles anders. Wiederum stört die Linkspartei den schönen Vierfarbenkuchen der Sitzverteilung während der abendlichen Ergebnisbesprechung und somit auch der gewünschten Regierungsbildung. „Demokratie sucks“ mag sich manch Politiker gedacht haben.

Selbst noch so seriöse Meinungsmacher sehen sich seither nicht mehr in der Lage, um das Problem herumzureden. Allerorts werden Artikel über die zukünftigen Schwierigkeiten bei der Bildung stabiler Regierungen oder gar Minderheitsregierungen veröffentlicht. Deutschland ist in Gefahr international zur Lachnummer zu verkommen und so dürfen namhafte Persönlichkeiten sich zu Wort melden und dem Bildungsbürger die neue Weltordnung erklären. Während Ex-Außenminister Joschka Fischer Koalitionsmöglichkeiten herunterbetet wie andere die Fußballergebnisse vom letzten Wochenende (Quelle), will der ehemalige Bundespräsident Roman Herzog gleich das Wahlrecht ändern (Quelle). Wenn das Volk nicht wählt wie es soll, müssen eben die Regeln geändert werden. So funktioniert die Demokratie im 21. Jahrhundert.

Doch wozu das alles? Die SPD liefert in den letzten Tagen und Wochen ein Kabarettprogramm vom Feinsten ab. Man kann nur hoffen, dass Dieter Wedel dieses Mal die Zeit für eine Verfilmung findet. Dabei hatte doch alles so harmlos angefangen. Andrea Ypsilanti hatte vor der Wahl im Sinne der bisherigen Parteilinie der SPD eine Zusammenarbeit mit der Linken ausgeschlossen, aufgrund der Wahlergebnisse aber nun die Möglichkeit erwogen, sich doch von eben jenen zur Ministerpräsidentin wählen zu lassen. Ungeheuerlich! Dabei ist der Fehler sicherlich nicht die Öffnung in Richtung der Linken um den offensichtlichen Wünschen der Wähler zu genügen, sondern vielmehr die leichtsinnige Aussage vor der Wahl. Diesen Verlust der Glaubwürdigkeit, der nun überall propagiert wird, hatte es so gesehen schon nach der Bundestagswahl 2005 gegeben. Auch damals hatten SPD und CDU Überlegungen an eine große Koalition vehement bekämpft – sich aber aufgrund der Wahlergebnisse dazu genötigt gefühlt dies durch ein gemeinsames Regieren zu widerrufen. Aber diese Wahl müssen Parteien und Medien wie eingangs erwähnt ja irgendwie übersehen haben.

Staunen muss man über die nun herrschende Gesamtsituation bei der SPD. Die gefeierte Spitzenkandidaten Ypsilanti reagiert auf das offensichtliche Wahlergebnis durch Anpassung der parteieigenen Idealvorstellungen und stürzt ihre Genossen so in eine tiefe Glaubens- bzw. Glaubwürdigkeitskrise. Kurt Beck, bisher Lehrmeister in Fragen zur Linkspartei will es nun doch den Landesverbänden überlassen, ob sie entsprechend der Wahlergebnisse handeln dürfen oder nicht. Darüber hinaus glänzt er mit dem Timing einer Grippe. Die Zerfleischung seiner Partei kann er so nur vom Bett aus via N24 verfolgen und muss obendrein noch mit ansehen, wie seine eigenen Kanzlerambitionen öffentlich in Frage gestellt werden.
Unterstützung findet die SPD dabei auch noch bei der CDU. Ausgerechnet Roland Koch, der bereits in der Vergangenheit das ein oder andere Mal durch Lügen Wahrheitsauslassungen unangenehm auffiel, fällt in den Chor ein und bleibt unter den herrschenden Bedingungen erst einmal Ministerpräsident. Dies alles hätte Shakespeare sicherlich schon für ein Bühnenstück gereicht, doch der Höhepunkt erfolgte durch Einmischung von Dagmar Metzger. Die Landtagsabgeordnete, die ansonsten vorwiegend durch ihre Götz Alsmann Frisur auffällt, verweigert Ypsilanti ihre Unterstützung bei der Wahl zur Ministerpräsidentin, sollte sie sich mit Stimmen der Linkspartei wählen lassen. Ypsilanti will daraufhin nicht mehr zur Wahl antreten.

Da ist es kein Wunder, dass die SPD erste Auflösungserscheinungen zeigt. Diese Art der Selbstzerstörung kennt man bestenfalls noch von den Grünen, wenn es um die Frage einer Kriegsbeteiligung geht. Und damals lastete immerhin die Last der Regierungsverantwortung auf ihren Schultern. Die hessische SPD dagegen erstickt jegliches Zutrauen an ihre Fähigkeit zu Regieren im Keim. Wenn nicht schnell Ordnung in die Kreise der Sozialdemokraten einkehrt, wird die Problemstellung eines Fünfparteiensystems nicht lange ein Gesprächsthema sein. Die SPD ist nicht nur dabei, das Vertrauen ihrer Wähler zu verspielen, sondern auch das aller Wähler in eine funktionierende Demokratie. Eine Demokratie, in der die gewählten Parteien – ob allein, zu zweit oder zu dritt – sich in einer Koalition zusammenfinden und ein Land regieren können wie es der ihnen zugedachten Aufgabe entspricht. Der bisherige Vertrauensverlust drückt sich nicht zuletzt auch in den Stimmanteilen der Linken aus. Die Partei wird zum Sammelbecken für die Enttäuschten und derjenigen, denen die Bewegungslosigkeit der großen Koalition endgültig den Anstoß gegeben hat, die ausgetretenen Wege der großen Volksparteien zu verlassen. Ein Ignorieren der Linken durch die übrigen Parteien wird dieses Problem nicht verschwinden lassen, sondern gegenteilig stetig verstärken. Ein Einbinden der Linken ist daher unumgänglich. Zudem könnten die Linken sich nicht mehr hinter ihren vor allem durch Lafontaine rhetorisch gut verkauften aber realitätsfremden Vorstellungen verstecken um in der Rolle der Opposition weiter Stimmen zu sammeln, sondern wären gezwungen sich für ein konstruktives Zusammenarbeiten mit den wirtschaftlichen Gegebenheiten auseinanderzusetzen. Auf diese Weise wurden auch die Grünen in der Regierung unter Gerhard Schröder zeitweilig zu einer funktionierenden Partei erzogen.