Vollzeitpolitiker
Vor einigen Tagen erhitzte sich das Gemüt des Wahlvolkes in einem Ausmaß, wie es nur selten vorkommt. Grund hierfür war eine erneute Erhöhung der Diäten der Bundestagsabgeordneten. Nicht zu unrecht – sind die Bezüge der Abgeordneten in den letzten Jahren doch weit stärker angestiegen, als die Einkünfte des gemeinen Arbeitnehmers. Dazu die Diskussion über zu großzügige Altersversorgung. Doch viel schwerer als die Frage des ‚wieviel‘ wiegt diejenige nach dem ‚wofür‘!
Ich will ganz ehrlich sein: Ich bin für eine Diätenerhöhung. Ob die Konstellation, wie sie sich jetzt stellt, besonders glücklich ist mag strittig sein. Eine Erhöhung der Abgeordnetenbezüge um etwa 16 Prozent bis 2010 (Quelle) ist kaum jemanden zu erklären, der sich z. B. gerade erst gut fünf Prozent erstreikt hat (Quelle). Dennoch: In meinen Augen haben Politiker einen verantwortungsvollen Beruf. Fähige Menschen sollten auch entsprechend bezahlt werden – ansonsten würden sie sich eine Anstellung suchen, die ihnen eine angemessene Bezahlung sichert. Aus diesem Gesichtspunkt heraus empfinde ich die Diäten der Abgeordneten (+ Zusatzleistungen) durchaus angemessen. Allerdings nur unter der Voraussetzung, dass die entsprechenden Politiker auch ihren Job machen würden.
Ob sie das können halte ich teilweise für fraglich. Nicht aus fachlichen Aspekten, sondern aus zeitlichen. Denn die Liste derjenigen Abgeordneten, die Nebeneinkünfte angeben, ist unglaublich lang. Die genauen Einkünfte sind nach den Richtlinien jedoch nicht erkennbar. Vielmehr erfolgt eine Staffelung in drei Stufen je Nebenjob. Auf der Seite unserer Volksvertreter findet sich die folgende Angabe:
Auch die Einkünfte für jede einzelne Tätigkeit müssen angezeigt werden, sofern sie mehr als 1.000 Euro im Monat bzw. 10.000 Euro im Jahr betragen. Die Angaben erfolgen für jede Tätigkeit in drei Stufen: Stufe 1 erfasst einmalige oder regelmäßige monatliche Einkünfte einer Größenordnung von 1.000 bis 3.500 €, Stufe 2 Einkünfte bis 7.000 € und Stufe 3 Einkünfte über 7.000 €.
Ob ein Abgeordneter mit seiner Nebentätigkeit also 7.001 oder 50.000 Euro in dem Zeitraum erhält, geht aus dieser Meldepflicht demnach nicht hervor. Zum Glück gibt es reichlich Politiker, die es als ihre Aufgabe ansehen, ihre Wähler angemessen – und Vollzeit – zu vertreten oder ihre freie Zeit wenigstens in Ehrenämtern einsetzen. Zu meinem Leidwesen gibt es allerdings auch Gegenbeispiele; Politiker, die Nebentätigkeiten sammeln, wie andere Paninibildchen. Im Juli 2007 sprach Heinz Riesenhuber mit dem Stern ganz offen über seine 19 (!) Nebentätigkeiten. Selbst im Vertrauen auf die moralische Standfestigkeit des Herren Riesenhuber und seiner vieltätigen Kollegen, dass diese Pöstchen nicht in Lobbyarbeit ausarten, bleibt die Frage bestehen, ob „intelligente Arbeitsplanung“ (Riesenhuber) reicht um zwanzig Jobs vernünftig erfüllen zu können.
Aus Sicht der Wähler erscheint so etwas unglaublich bzw. unglaubwürdig. Kann neben einer Tätigkeit als Bundestagsabgeordneter wirklich noch so viel Zeit zur Verfügung stehen, dass man darüber hinaus Mitglied in zahlreichen Aufsichtsräten, Arbeitsgruppen, Gremien usw. sein kann? Eine Diskussion über diese Zustände könnte die Abgeordneten (bzw. Teile davon) weit härter treffen als das Geschrei über die hochprozentige Diätenerhöhung. So ist die nun pseudo-moralische Ablehnung der Erhöhung der Bezüge durch die Abgeordneten ein Ruhigstellen der Bevölkerung. Denn der kluge intelligent zeitplanerische Abgeordnete verdient sein Geld abseits der Politik.