Schweinejournalismus – die Auswirkungen eines Boulevardblattes
Während die schöne Landrätin schon lange nicht mehr von den Leserreportern gejagt wird, da diese auf Inzestmonster und Phantomkiller umschwenkten, erfreuen wir uns am Trainer-Beben, der Schweini-Panne und das Gomez seinen Tor-Fluch verscheicht. In unserer Sensationsgier nehmen wir dann noch den/das Todes-Flug/Horror-Jet/Airbusdrama (natürlich wahleise) mit, jagen den nächsten Sexverbrecher und schauen uns das Video vom Hurendrama an. Noch im Ärger über die Spesen- und die HartzIV-Abzocker fragen wir uns aber vielleicht langsam auch – was soll das?
Sogar eine ehemals seriöse Zeitungen wie die WAZ (derwesten.de) springt auf diesen Zug auf und betitelt vor einiger Zeit beispielsweise ein Mordopfer als Kanalleiche – wobei hier Kanalbrückenleiche sogar richtiger gewesen wäre. Berichte über auch nur einigermaßen attraktive Damen werden bei Bild und co. stets mit dem Wort schön eingeleitet, ob es um Politik, Sport oder ganz wichtig – Spielerfrauen geht, tut dabei nichts zur Sache. Eine sachliche, objektive Berichterstattung scheint vom Konsumenten nicht mehr gewünscht. Es muss schnell gehen, es muss reißerisch sein.
Zu dieser um sich greifenden Respektlosigkeit kommt dann noch die mangelnde Rechtschreib- und Grammatikkorrektur, da in der schnellebigen Internetlandschaft für so etwas wohl kein Platz mehr ist. Es zieht sich durch sämtliche Blätter, dass sogar Fettgedruckte überschriften Schreibfehler enthalten. Wo soll das hinführen? Versuchen die Zeitungen sich damit der Jugend anzubiedern, die ja in gewissen Kreisen es sich zur Aufgabe gemacht hat, der deutschen Sprache den Garaus zu machen?
Während ich nun also mit dem großen Fragezeichen über meinem Kopf den Artikel über die Sexy Blondinen-Demo (es geht dort um die Wirtschaftskrise – ist doch wohl einleuchtend, oder?) überfliege, suche ich weiterhin Online-Medien, die nicht versuchen mich zu voreiligen Schlüssen zu verleiten, bevor ich auch nur ein Wort mehr als den Aufhänger gelesen habe. Wer mir bei der Suche helfen möchte kann seine Vorschläge gern im Kommentarfeld hinterlassen. (wenn überhaupt noch jemand liest 😉 )
Ach ja… Wir sind wieder da, oder?
5. Juni 2009 um 07:49 Uhr
Hallo Björn,
willkommen zurück, habe ja ehrlich gesagt nicht mehr daran geglaubt, dass sich hier noch etwas regt
Ich finde spiegel.de ziemlich gut. Hat zumindest nichts reisserisches in den Überschriften. Gut da findet man den einen oder anderen Buchstabendreher so durchschnittlich einen halben pro Artikel, aber das die Artikel nicht für die „Jugend“ gedacht ist merkt man daran, dass die Artikel länger sind als 5 Zeilen.
In diesem Sinne
Gruß Der Pete
5. Juni 2009 um 07:55 Uhr
Vielleicht ist der bemängelte Qualitätsverlust von Onlineinhalten auch durch die kostenlose Bereitstellung bedingt. In Zeiten grausiger Pisa-Ergebnisse sind Menschen ohne Lese- und Rechtschreibschwäche Mangelware, dementsprechend teuer und in gewinnbringendem Umfeld tätig.
Zudem werden die Onlinedienste doch meist als Unterhaltung-to-go verwendet, der geistige Anspruch darf demnach nicht zu hoch sein. Ich gebe jedoch zu, dass die Kritik des schönen Autors dieses Beitrags an manchem Boulevardblatt durchaus gerechtfertigt ist.
5. Juni 2009 um 08:07 Uhr
Die kostenlose Bereitstellung kann kaum der Ausschlag gebende Punkt sein, da man ohne kleine Helferlein von Werbung nur so erschlagen wird und zusätzlich zu diesen kostenlosen Angeboten immernoch Printmedien angeboten werden, die zwar weniger als früher, aber immernoch gekauft werden!
Und wenn ich Unterhaltung-to-go lese denke ich unweigerlich an meine Lieblingskaffeehauskette Meyerbeer denen ich einen auf den Deckel geben würde, wenn man mir für Unterwegs einen schlechteren Kaffee machte, als für den Fall, dass ich bei denen im Haus die Stühle abnutze.
5. Juni 2009 um 08:26 Uhr
Da ist es aber auch umgekehrt: To-go-Essen wird geringer besteuert – folglich sollte mehr Geld für Qualität da sein.
5. Juni 2009 um 16:14 Uhr
Ich darf also schlussfolgern, dass meine Kaffeehauskette heimlich den Kaffee schlechter macht, wenn jemand da trinkt?
5. Juni 2009 um 17:33 Uhr
Muss wohl so sein… obwohl das dann ja nicht mehr heimlich wäre.
5. Juni 2009 um 21:53 Uhr
Juhu! Ihr seid ja wieder da. Das finde ich ganz, ganz toll. Nur weiter so!
Also wer Online-Medien sucht, die nicht versuchen jemanden zu voreiligen Schlüssen zu verleiten, der sollte nicht bei der Online-Ausgabe des großen deutschen Boulevardblattes mit den vier Buchstaben beginnen!
Mit der Bezeichnung „Unterhaltung-to-go“ hat Christian die Funktion der meisten Online-Nachrichtendienste sehr passend beschrieben. Ich selber klicke mich hauptsächlich in dieser Weise durch die Website von Stern durch. Politische Berichte lese ich so eher selten, nur vorhin einmal ein Bericht zum Pro und Contra der Europawahl.
Mir ist morgens die Tageszeitung lieber als abends zuvor das Internet. Zwar sind die meisten Nachrichten schon veraltet, aber man hat eine bessere Übersicht. Natürlich bemerke ich auch die Schwächen in Rechtschreibung, Grammatik und Satzlogik. Ich denke da nur mal an die Überschrift eines kurzen Artikels am Rand in der WAZ: „Mann legte Rückwärtsgang ein“. Tja… und? Es ging halt um einen Unfall beim Rückwärtsfahren, aber die Überschrift hat mich so verwirrt, dass sie mir im Gedächtnis geblieben ist.
Man sollte nicht nach Fehler in Online-Medien suchen und sich darüber aufregen, das ist verschenkte Energie. Ich selber finde es auch nicht gut, wenn Fehler auftreten, aber der Autor des Leitartikels scheint intensiv auf der Suche nach diesen zu sein. Wenn man wirklich was ändern möchte hilft es nur, wenn man selber aktiv wird. Aber nicht nur auf dieser kleinen privaten Seite…
PS: @ Björn: Bild.de aus Adressleiste im Browser löschen und nie wieder eingeben! 😉
PS: @ Der Pete: Spiegel online kenne ich nicht so gut, aber das gedruckte Medium zeigt oft sehr provokante, meinungsbildende Titelstorys, was mir nicht so gut gefällt.
6. Juni 2009 um 01:09 Uhr
Ich persönlich bin immernoch der Meinung, dass das nichts mit Unterhaltung-to-go zu tun hat, denn auch die Print-WAZ hat Kanalleiche geschrieben. Und auch in der Print-WAZ war die Rede von „Unfallflucht mit Rasenmäher“ (gemeint war die Unfallflucht eines Fahrzeuges, welches auf einem Anhänger zwei Rasenmäher geladen hatte…)
Und zu Lauras Tipp mag ich nur sagen, man muss seine Feinde kennen, sonst kann man nicht über sie lästern 😛
Das Dreigestirn der Boulevardmagazine kann ich persönlich auch kaum noch Ernst nehmen… Ich frage mich nur langsam wann und wie das alles passiert ist. Wir hatten einige seriöse Blätter in Deutschland, gute Fernsehjournalisten und jetzt muss sich schon ein Jauch nachsagen lassen, er sei ein Gefälligkeitsjournalist (wie viele Leute stolpern eigentlich noch über den Klinsi?) – Irgendwie wird für mich als Nachrichtensüchtigem die Luft langsam dünn!
PS: @ Laura, freue mich über deine Ermunterung sehr!
22. Juli 2009 um 23:31 Uhr
Wie viele andere klicke ich mich abends noch schnell durch die Onlineversionen der Zeitungen von „morgen“. Und was bei den (nach Meinung der Zeitungsmacher) wichtigsten Themen des nächsten Tages immer wieder auffällt, ist, dass sie im teilweise völlig identischen Wortlaut formuliert sind.
Die Erklärung fällt leicht, wenn man ins Kleingedruckte schaut: dpa, ap und dergleichen ist da zu lesen. Die Nachrichtenagenturen erledigen die Fließbandarbeit und die Zeitungen (egal ob Online oder Print) machen copy+paste.
Will man das verurteilen? Mal ehrlich: Egal ob kleine Dorfpostille oder überregionale Tageszeitung: Überall wird dieser Tage zu lesen sein (müssen), dass in Asien eine Sonnenfinsternis zu bewundern war und dass das Klo auf der ISS wieder in Stand gesetzt ist.
Wie, wenn nicht über Nachrichtenagenturen sollen diese Neuigkeiten in jede Redaktion kommen? Es ist einfach nicht für jede Schreibstube finanzierbar, ein weltweites Korrespondentennetz aufzubauen.
Gerade vor dem Hintergrund der heutigen Meldung, dass sich die Leserschaft deutscher Tageszeitungen in den letzten 12 Monaten um 600.000 reduziert hat, machen Zeitungen das, was jedes wirtschaftlich arbeitende Unternehmen tut, um nicht bei Peter Zwegat anheuern zu müssen: Man kauft die Leistungen ein, die man selbst nicht günstiger herstellen bzw. recherchieren kann. … ganz simpler Selbsterhaltungstrieb … und ich kann’s verstehen!
Eine Verantwortung bleibt allerdings: Jedes Unternehmen sollte prüfen, ob die günstig eingekaufte Leistung auch den eigenen Qualitätsansprüchen und damit den Wünschen der Kunden bzw. Leser entspricht … auch das müsste im Selbsterhaltungstrieb mitprogrammiert sein.
Was passiert, wenn man diesem Grundsatz nicht gerecht wird, hat BildBlog exemplarisch vor einiger Zeit aufbereitet:
http://www.bildblog.de/8522/piratenpartei-bringt-medien-zum-kentern/
Wenn heute Nacht aus Nachrichtensicht nichts mehr passiert, weiß ich, mit welchen Meldungen in den Radionachrichten ich morgen geweckt werde: Afganistan, Porsche/VW und Vorschau Misstrauensvotum in SH. Der Wortlaut wird im Radio nicht wesentlich anders sein als im Morgenmagazin im Fernsehen oder in der vielzitierten WAZ.
Kann ich mit leben … muss ich ja auch.
Wichtig ist mir, dass ich immer noch die Möglichkeit habe, hintergründig recherchierte Artikel zu den aktuellen Themen aber auch zu Gegebenheiten abseits des Standardmeldungenportfolios zu finden.
Und diese Suche ist selten erfolglos … es wäre eine Schande, wenn Die Zeit täglich erscheinen würde …