Von Viehtransporten und Schlafproblemen.
Die Abellio Rail hatte sie bis vor kurzem noch im Einsatz, die guten alten Silberlinge. Die Bahn hat sie umgebaut aber dort fahren noch ein paar davon. Dies ist aber leider nicht mehr lang der Fall – Schade eigentlich, aber alles alte wird irgendwann durch etwas neues ersetzt. Doch ist das neue immer besser? Fakt ist, vom gemütlichen Bahn fahren vergangener Tage ist nichts mehr übrig.
Dabei war es so schön. Eine schwere Tür mit einem unmöglichen Mechanismus öffnen, die Stufen erklimmen oder die Schlucht zwischen Bahnsteig und Wagen gekonnt überspringen um sich in die weichen Ohrendoppelsessel fallen zu lassen. Bei der Fahrt das gleichmäßige und beruhigende Rattern der Gleise – hach war das schön, aber nur so lang, bis die Bahn sich entschied, Komfort gibt es ab jetzt nur noch in den teuren Zügen
Heute ist das, was uns die Bahn bietet viel mehr einViehtransport von A nach B. So oder so ähnlich müssen sich die Kühe von Bauer Müller fühlen, wenn sie wissen es geht zum Schlachter. Sie warten geduldig aber mit einem unguten Gefühl auf einen verspäteten Zug mit viel zu wenig Türen für alle, um dann in einen zu knapp bemessenen Wagen eingefärcht zu werden. Hätten unsere Musterkühe Gepäck dabei, könnten sie es aber nur auf dem Boden abstellen und damit anderen Kühen den Weg versperren, denn nutzbare Gepäcknetze? Fehlanzeige! Auf der Fahrt denken sich einige der klugen Kühe: „Machen wir doch mal ein Nickerchen“ aber die anderen Kühe, auf der Suche nach etwas Luft zum atmen haben gar keine andere Wahl, als die schlafenden mit ihren Extremitäten zu wecken, die einfach nicht im Gang bleiben wollen, weil selbiger zu schmal ist.
Wie man sich vielleicht denken kann, schreibe ich diesen Artikel aus einem akuten Grund. Ich sitze natürlich im Zug und ärgere mich tierisch (na, Wortspiel erkannt?), dass es in den tollen Doppelstockwagen einfach nicht möglich ist entspannt zu reisen. Die Züge sind zu kurz, zu schmal, die Menschen werden durch Schleusen in die Wagen geleitet, die ungünstig positioniert sind – es macht mir schlicht keinen Spaß mehr RE zu fahren. Da ist sogar meine S-Bahn, mit der ich ja auch schlechte Erfahrungen gemacht habe (Eine ganz normale Bahnfahrt.), sehr viel lieber! Dabei kann ich mich noch an meine Kindheit und frühe Jugend erinnern. In den alten Wagen habe ich mich immer wohl gefühlt und tue es auch heute noch. Es ist auch nicht gerade ein ICE, aber ich fühle mich eben eher wie ein Mensch im Zug. Das leise (manchmal auch laute) Rattern der Gleise schaukelt einen gemütlich in den Schlaf, die Gespräche der anderen Leute werden gerade so übertönt, es riecht vielleicht mal nach ein bisschen Schmiermittel, denn die Klimaanlage ist das Fenster – einfach perfekt.
Heute hat man plärrende Mobiltelefone, brüllende Mitreisende, deren Worte man auch noch versteht und in jedem zweiten Mülleimer mindestens einen Dönerrest, der durch die Zirkulation der, meist viel zu kalten, Klimaanlage seinen Duft gleichmäßig im Wagen verteilt. Was hat sich der Konstrukteur dieser Wagen nur gedacht?
Ich lasse diese Frage einfach im Raum stehen und träume derweil von meiner letzten Fahrt mit der Abellio Rail von Essen nach Bochum, in dem schönen alten Silberling, der dort noch bis August letzten Jahres regelmäßig fuhr…
(Anmerkung des Autors: Ich danke für Nicole für den freundlichen Hinweis auf meinen kleinen Recherche Fauxpas.)